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Zur Entstehung des Südostdeutschen Kulturwerks (SOKW) in München.

Eine erste Skizze

Von Tobias Weger, IKGS München


Kulturwerke für Deutsche aus dem östlichen Europa

Das 1951 in München gegründete Südostdeutsche Kulturwerk (SOKW) fügt sich ein in eine Reihe von Einrichtungen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur kulturellen Betreuung und Identitätswahrung deutscher Gruppen aus dem östlichen Europa in Westdeutschland ins Leben gerufen wurden. Der Adalbert Stifter Verein e. V. (ASV) in München (1947) als kulturelle Interessensvertretung der einstigen deutschen Bewohner der Böhmischen Länder, die Carl Schirren Gesellschaft e. V. (CSG) in Lüneburg (1950) als Initiative zur Wahrung des kulturellen Erbes der während des Zweiten Weltkriegs umgesiedelten Deutschen aus dem Baltikum, das Nordostdeutsche Kulturwerk e. V. (NOKW), ebenfalls in Lüneburg (1951), das neben den Deutschen aus dem Baltikum seine Zuständigkeit auch die geflüchteten oder vertriebenen Deutschen aus Ost- und Westpreußen, Pommern und weiteren Gebieten erweiterte, sowie das zunächst in Neumarkt in der Oberpfalz, später in Würzburg ansässige Kulturwerk Schlesien e. V. (1952) stehen am Anfang einer Entwicklung, zu der in den folgenden Jahrzehnten noch weitere Einrichtungen hinzukamen.

Eine Sonderrolle nahmen der Ostdeutsche Kulturrat e. V. (OKR) in Bonn (1950) und das Kulturwerk der vertriebenen Deutschen e. V. in Burg an der Wupper (1953) ein, die beide auf das übergreifende räumliche Konzept eines „deutschen Ostens“ rekurrierten und dabei auf regionale, siedlungsgeschichtliche oder historisch-territoriale Zugehörigkeiten nur bedingt Rücksicht nahmen.

Der Begriff „südostdeutsch“ (I)

Dabei ist nicht nur der Begriff „ostdeutsch“, sondern auch das räumlich-ethnische Konstrukt „südostdeutsch“ weder eindeutig noch selbsterklärend. Vor allem innerhalb des Deutschen Reiches wurden mit dem Terminus „südostdeutsch“ bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg vor allem die südöstlichen Provinzen Preußens bezeichnet. In diesem Sinne entstand etwa 1906 in Cottbus der Südostdeutsche Fußball-Verband (S.O.F.V.), der sich als regionaler Zusammenschluss von Fußballvereinen aus Schlesien, der Nieder- und der Oberlausitz sowie der Provinz Posen verstand und bis 1933 existierte.

Aus einem großdeutschen Raumverständnis heraus konnten aus der Sicht des Deutschen Reiches mit „südostdeutsch“ auch die österreichischen Kernlande der Habsburgermonarchie gemeint sein. Eine dritte Option bezieht sich auf die uns hier interessierende Zuschreibung. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg, als die Deutschen in den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie außerhalb der Republik Österreich zu nationalen Minderheiten wurden, entstand in den zeitgenössischen „mental maps“ eine imaginierte „Schicksalsgemeinschaft“ – ein Denkmodell, für das sich zuvor bereits in der völkischen Literatur Anhaltspunkte finden lassen.

An der Implementierung dieser Begriffssetzung wirkte nicht zuletzt die deutsche Jugendbewegung in den südosteuropäischen Staaten maßgeblich mit. Innerhalb des Königreichs Rumänien wurde 1927 die „Arbeitsgemeinschaft Siebenbürger und Banater Wandervogel-Gruppen“ gegründet, die sich 1929 in Mediasch (rum. Mediaș, ung. Medgyes) in „Bund südostdeutscher Wandervogel“ umbenannte. Die Intentionen des Südostdeutschen Wandervogels formulierte ein 1931 veröffentlichter Artikel:

Er will seine Heimat: Berg und Tal, Wiese und Wald, Baum und Strauch, Blumen und Gestein kennen lernen. Dazu dienen die „Fahrten“. Er will zu den Bauern, als der Grundlage unseres Volkes, in nahe freundschaftliche Beziehung treten, mit der Bauernjugend wirklich Freundschaft knüpfen. Darum macht er Spielfahrten auf die Dörfer. Darum beschäftigt er sich eingehend mit den Fragen der Volkskunde, Geschichte der Dörfer, Volkstracht usw., die er aus den vorhandenen Urkunden zu erforschen sucht. Er pflegt ebenso moderne Leibesübungen, wie eine edle Sangeskunst. Und er sucht das alles zu erreichen durch Erziehung aus der eigenen Mitte, d. h. durch solche Jungen und Mädchen, die infolge ihrer Begabung Führereigenschaften besitzen. Um aber auch in großen weltlichen und religiösen Lebensfragen Helfer und Berater zu finden, wendet er sich an solche Persönlichkeiten, die der Jugend durch ihre Lebensauffassung besonders nahe stehen.[1]

Dieser Bund weiterte seine Aktivitäten auch auf die übrigen posthabsburgischen Regionen Rumäniens, etwa die Bukowina,[2] aus und existierte bis zu seiner Gleichschaltung in der Deutschen Volksgruppe in Rumänien im Jahre 1935. Zu dieser Gesamtorganisation innerhalb des Königreichs Rumänien zählten auch die Deutschen in Bessarabien und die Deutschen in der Dobrudscha, die als einstige Untertanen des Russländischen Reiches (bis 1917) beziehungsweise des Osmanischen Reiches (bis 1878) keine „habsburgische“ Vergangenheit aufwiesen, aber nun von Volkstumsorganisationen ebenfalls unter die „Südostdeutschen“ subsumiert wurden. Der Südostdeutsche Wandervogel organisierte im August 1931 anlässlich seines Bundestages im siebenbürgischen Schäßburg (rum. Sighișoara, ung. Segesvár) eine Ausstellung, in der auch „ein enger Zusammenhang“ zwischen Wandervogel und Selbsthilfe-Bewegung deutlich gemacht wurde. Es sei dem Südostdeutschen Wandervogel etwas Großes gelungen, so der Autor des oben erwähnten Artikels, „eine Gemeinschaft zu schaffen mit der Jugend der deutschen Siedlungsgebiete Rumäniens außerhalb Siebenbürgens“.[3]

Der Begriff „südostdeutsch“ (II)

Um Definitionen der „Südostdeutschen“ bemühten sich auch im Deutschen Reich die einschlägigen staatlichen und privaten Institutionen, die sich für die im östlichen Europa lebenden Deutschen zuständig fühlten – vom Deutschen Ausland-Institut (DAI) in Stuttgart über die Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in Leipzig und das Institut für Grenz- und Auslanddeutschtum in Marburg über den Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) bis hin zu konfessionellen Vereinigungen wie dem evangelischen Gustav-Adolf-Verein (GAV) und dem Reichsverband für das katholische Auslandsdeutschtum (RKA). Eine systematische begriffsgeschichtliche Auswertung der in diesen Kontexten entstandenen Fachliteratur steht derzeit noch aus.

Als erste dezidiert „südostdeutsche“ Forschungseinrichtung errichtete die bayerische Staatsregierung in München im Verbund mit der deutschen Reichsregierung und der Ludwig-Maximilians-Universität im Herbst 1930 das Institut für die Erforschung deutschen Volkstums im Süden und Südosten. Zu dessen erstem Leiter wurde der Historiker Karl Alexander von Müller (1882–1964) ernannt, der die Aufgabenfelder seines Instituts zunächst in den Beziehungen Bayerns zu Tirol und dem „angrenzenden Südosten“ sah. Zur Eröffnungsfeier reiste der Historiker Harold Steinacker (1875–1964) von der Universität Innsbruck, der nach dem Zweiten Weltkrieg auch im SOKW eine wichtige Rolle spielen sollte, zu einem Vortrag nach München.[4] Das Münchner Institut wurde zu einer Plattform vor allem für jüngere Protagonisten aus dem deutschen und österreichischen völkischen Milieu mit Affinität für den aufstrebenden Nationalsozialismus: So traten im Umfeld des Instituts etwa 1931 der Geopolitiker Kurt Trampler (1904–1969)[5] und der Publizist Franz Hieronymus Riedl (1906–1994)[6] mit Vorträgen in Erscheinung.[7]

1935 begann ein ehemaliger Student und Doktorand Karl Alexander von Müllers als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Münchner Institut zu arbeiten, der eine Scharnierfunktion zwischen der Vorkriegs- und der Nachkriegsgeschichte der deutschen Südostforschung einnahm: Fritz Valjavec (1909–1960). Die von ihm begründeten und redaktionell betreuten Südostdeutsche Forschungen hoben den Begriff „südostdeutsch“ endgültig in die akademische Sphäre.

In der Zeit des Nationalsozialismus herrschte Einigkeit darüber, alle Menschen deutscher „Volkszugehörigkeit“ im Donau-Karpatenraum, unabhängig von ihrer Selbstwahrnehmung und historischen Zugehörigkeit, als „Südostdeutsche“ zu bezeichnen. Der Volkswirtschaftler Walter Hoffmann (1891–1972), der eine ordentliche Professur an der Technischen Hochschule in Dresden bekleidete und Direktor des dortigen Mitteleuropa-Instituts war, schrieb beispielsweise im Jahr 1941 in einer propagandistischen Schulungsbroschüre – als durch die NS-Umsiedlungspolitik de facto bereits zahlreiche Siedlungsgebiete von Deutschen, etwa in Bessarabien, der Bukowina und der Dobrudscha, unwiederbringlich zerstört worden waren – über „[d]ie Bedeutung des Südostdeutschtums“:

So wohnen heute außerhalb der Grenzen des Großdeutschen Reiches im Südostraum gegen zweieinhalb Millionen Volksdeutsche, das sind etwa 4,5 % der gesamten Bevölkerung des Südostraumes. Neben der geographischen Einheit des Raumes sind es also vor allem die volklichen Bindungen, die Deutschland mit allen Donaustaaten verknüpfen. Diese Schicksalsfäden gründen sich nicht auf politische Pakte oder Diktate, sondern sie kommen aus dem Lebensraume heraus, von den deutschen Siedlungen an der Donau zu den deutschen Ahnen, zur deutschen Sprache, zur deutschen Kultur, vom Deutschtum draußen zum Mutterdeutschtum drinnen. Diese Bande sind Bande des Blutes, nicht der Politik. Je glücklicher sich diese Volksdeutschen in den anderen Donauländern als gute Staatsbürger in ihrer zweiten Heimat fühlen, um so herzlichen und freundschaftlicher werden die Beziehungen sein, welche alle Donauländer miteinander verbinden. Und das gilt in der gleichen Weise für alle anderen nationalen Volksgruppen.

Im Paul Zsolnay Verlag in Wien erschienen ab dem Herbst 1934 in loser Folge Südostdeutsche Literaturblätter, die für den reichsdeutschen Markt bestimmt waren. Verantwortlich war Hermann R. Leber (1900–1974), Vertrauensmann der Landesleitung der NSDAP in Österreich. Die letzte Ausgabe kam wenige Monate vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, im Herbst 1937, heraus. Veröffentlicht wurden Beiträge „nationaler“ und nationalsozialistischer Autoren. Die Südostdeutschen Literaturblätter verwendeten – nach der Deutung von Murray G. Hall – den Begriff „südostdeutsch“ in diesem Kontext synonym mit „arisch“ oder „gesamtdeutsch“.[8]

Vertriebenenkulturarbeit in Bayern

Der konservative schwäbische Politiker Pius Haugg (1905–1978), anfangs ein Mitglied der Christlich-Sozialen Union (CSU), später der Bayernpartei (BP), regte in einem Schreiben an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 11. Februar 1949 die Errichtung eines „Kulturwerks für Flüchtlinge“ an.[9] Kurz zuvor hatte sich bereits in München im Umfeld von Franz Haibach (1899–1958), eines vertriebenen katholischen Geistlichen aus der nordböhmischen Diözese Leitmeritz (tsch. Litoměřice), ein „Kultureller Arbeitskreis der deutschen Heimatverwiesenen in Bayern“ konstituiert. Ihm gehörten fünf „sudetendeutsche“, fünf schlesische, zwei „südostdeutsche“, je ein ostpreußischer, ein „baltendeutscher“ Vertreter sowie Repräsentanten der Deutschen aus Kongresspolen, Wolhynien und Galizien, der Deutschen aus Westpreußen, Posen und Wartheland, der Hilfsstellen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der römisch-katholischen Kirche sowie der Arbeits- und Sammelstelle für das Kulturgut der Heimatvertriebenen an. Die staatliche Seite repräsentierte ein Beamter des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Der Arbeitskreis machte es sich zur Aufgabe, „die geistige Einbürgerung der deutschen Heimatverwiesenen in Bayern zu fördern, ihre kulturellen Überlieferungswerte zu pflegen, insbesondere im Rundfunk, in der Presse um im Volksbildungswesen, und die Heimatverwiesenen und Flüchtlinge in den Lagern kulturell zu betreuen“. Das Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben vertraten darin der siebenbürgische Jurist Otto Appel (1918–1990) und der Banater Schriftsteller Hans Diplich (1909–1990). Letzterer gehörte auch dem Vorstand des Gremiums an.[10] Der Arbeitskreis bekräftigte gegenüber dem Ministerium, bestrebt zu sein, „die Verbindung mit den bayerischen kulturschaffenden Stellen aufzunehmen und ein gegenseitiges Kennenlernen und weiterhin eine erspriessliche Zusammenarbeit anzubahnen“.[11]

Der Vorsitzende des Kulturellen Arbeitskreises, der aus Böhmen stammende Journalist Theodor Hutter (1904–1978), konkretisierte im Mai 1949 dessen Aufgaben. Es gehe darum, „die schöpferischen Begabungen der Lagerinsassen zu wecken und zu pflegen, die Umschulung der berufsentfremdeten Arbeitsfähigen in die Wege zu leiten, die Jugendausbildung durch Berufserziehungskurse zu unterstützen und die Lagerinsassen durch Veranstaltungen volksbildnerischer Art wie Lichtbildervorträge, Konzerte, Arbeitsgemeinschaften, Singabende usw. mit dem Kulturgut der neuen Heimat bekanntzumachen bzw. sie planmäßig in die wirtschaftliche, soziale, geschichtlich-stammliche Struktur der neuen Heimat einzuführen.“ Gleichzeitig solle durch „die bewusste Pflege des Kulturgutes der alten Heimat“ das „seelische Selbstbewusstsein der Lagerinsassen gehoben werden“ und ihnen die „reichen Kulturgüter“ bewusst gemacht werden, „die sie neben ihren beruflichen Fähigkeiten und moralischen Qualitäten in die neue Heimat“ mitbrächten.[12]

Das Bayerische Staatsministerium des Innern unterstrich gegenüber der Staatskanzlei auf Anfrage am 19. Februar 1950 die Bedeutung der Kulturarbeit von Flüchtlingen und Vertriebenen. Eine „Vernachlässigung des kulturellen Eigenbewusstseins“ würde die Betroffenen „wegen ihres Kulturgefühls in Opposition zum Staat und damit in die Radikalisierung treiben“. Dieses kulturelle Eigenleben sei „gerade bei den Flüchtlingen aus der Notwendigkeit, sich im Grenzland anderen Nationen gegenüber zu behaupten, ganz besonders gestärkt worden“.[13]

Für den Regierungsbezirk Oberbayern formierte sich in München am 14. Dezember 1950 eine Arbeitsgemeinschaft für kulturelle Betreuung der Heimatvertriebenen in Oberbayern. Bei der konstituierenden Sitzung waren auch Regierungspräsident Josef Hölzl (1901–1975), Pius Haugg als Kulturreferent im Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen und der Lehrer Hans Kuderna (1909–?) als Leiter der Arbeitsstelle für das Kulturgut der Heimatvertriebenen in München anwesend. Der Soziologe und Historiker Eugen Lemberg (1903–1976) hielt einen programmatischen Vortrag, in dem er unter anderem ausführte:

Wir können die Lage nur meistern, wenn wir aus den geistigen Quellen schöpfen und uns zu einem neuen Volke durchringen. Die Menschen müssen lernen, sich auf sich selbst zu verlassen und nicht auf den Staat, das heißt, jeder Einzelne muß Hand anlegen am Neubau unserer Gesellschaft, die durch und durch zerrüttet ist. Das Volk muss begreifen, daß die Mütter, Lehrer, Erzieher und Geistlichen wichtiger sind als Generale und Minister, und es muß sich über die sittlichen Grundlagen der Kultur im weitesten Sinne im Klaren sein.[14]

Ein „südostdeutsches“ Netzwerk

Unter dem Dach des genannten Arbeitskreises differenzierten sich alsbald landsmannschaftliche und großregionale Untergruppen aus. In diesem Zusammenhang kam der nach 1945 wieder in München tätige Fritz Valjavec erneut ins Spiel, der zu einer Schlüsselfigur der „südostdeutschen“ Aktivitäten in der Nachkriegszeit wurde. In seinem Umfeld begann sich ein Personenkreis zu sammeln, der zum Teil auf Netzwerkbildungen in der Vorkriegs- und Kriegszeit zurückblicken konnte. Soweit sich dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt überblicken lässt, waren solche – sich partiell auch überschneidenden –Teilnetzwerke:

  1. ein Kreis von Ost- und Südostforschern, die zum Teil, wie Valjavec selbst, in der nationalsozialistischen Forschung tätig gewesen waren und für die eine Institutionalisierung neben der Kontinuität von Ideen und Forschungsfeldern auch ganz schlicht eine Sicherung der Existenz in der posttotalitären Phase bedeutete,
  2. eine Gruppe einstiger Minderheitenpolitiker aus Jugoslawien, Ungarn und Rumänien, die sich im aufkeimenden landsmannschaftlichen Milieu ein neues Tätigkeitsfeld suchten,
  3. Vertreter der deutschen Jugendbewegung (Bündische Jugend), vor allem des bereits erwähnten Südostdeutschen Wandervogels,
  4. einstige, vor allem siebenbürgisch-sächsische Mitarbeiter des Klingsor-Kreises um die gleichnamige, von 1924 bis 1939 im siebenbürgischen Kronstadt (rum. Brașov, ung. Brassó) herausgegebene Literatur- und Kulturzeitschrift, deren zentrale Figur der seit den 1930er-Jahren im Deutschen Reich lebende und arbeitende Schriftsteller Heinrich Zillich (1898–1988) war,
  5. ein Kreis von ehemaligen Pädagogen der deutschen katholischen Schule „Banatia“ in Temeswar (rum. Timișoara, ung. Temesvár),
  6. eine Gruppe von vor allem in München Studierenden mit Wurzeln in Südosteuropa, die in München am 27. November 1951 den Südostdeutschen Studentenring (SOSR) initiierten. Seine Angehörigen trafen sich einmal im Monat zu wissenschaftlichen Vorträgen oder geselligen Veranstaltungen.[15]

Das für die Nachkriegszeit Besondere an der neu entstehenden Institution war neben ihrer regionalen Vielfalt, die von der Slowakei bis nach Bessarabien und in die Dobrudscha, von Kroatien und Serbien bis in die Bukowina reichte, auch ihre Überkonfessionalität. In einer Zeit, in der etwa das Schulwesen noch streng konfessionell ausgerichtet und Ökumene noch nicht selbstverständlich war, trafen sich etwa evangelisch-lutherische Siebenbürger Sachsen und römisch-katholische Banater, um gemeinsam eine Arbeitsstelle aufzubauen, ein Programm an Aktivitäten zu entfalten und eine Zeitschrift herauszugeben.

Die Südostdeutsche Kultur- und Forschungsstelle

Nach Angaben des späteren langjährigen SOKW-Vorsitzenden Franz Hamm (1900–1988) muss der Kern der späteren Südostdeutschen Kultur- und Forschungsstelle (SOKFS) bereits 1948/49 in Württemberg ins Leben gerufen worden sein, noch vor jenem Treffen in Valjavec‘ Wohnung am Kaiser-Ludwig-Platz 1 in München im September 1949, das in der Literatur gelegentlich als Gründungsdatum des SOKW angegeben wird.[16] Einer anderen Überlieferung zufolge reichte die Gründung der SOKFS in das Jahr 1949 zurück und wird als eine Idee von Fritz Valjavec und Hans Diplich charakterisiert.[17]

Bei dem Münchner Treffen im September 1949 sollen, so Hamm, neben Fritz Valjavec folgende Personen zugegen gewesen sein: Franz Hamm, Hans Diplich, Georg Bleyer, Philipp Stagelschmidt, Josef Trischler, Jakob Wacker und Hans Wühr. Wie in fast allen Vertriebeneneinrichtungen nach 1945 spielten Frauen auch hier anfangs keine und erst peu à peu eine untergeordnete Rolle.

Zu dem genannten Kreis trat bald auch der bereits erwähnte Heinrich Zillich, der am 28. Dezember 1949 seinem Tagebuch anvertraute:

Professor Valjavec, mit dem ich mich unterhielt, schlug mir vor, einen der jüngeren Parteiführer, Hausleiter,[18] durch ihn kennenzulernen. Es müsse etwas unternommen werden, um der separatistischen und wittelsbachischen Entwicklung in Bayern in die Speichen zu greifen. Nun – ein Parteipolitiker bin ich nicht, aber anhören kann ich, was da brodelt. Übrigens entartet die landsmannschaftliche Betriebsamkeit der Flüchtlinge gelegentlich ins Intrigante. So wird auch Valjavec am Zeug geflickt. Man riecht geradezu, wie sich Nichtskönner in seine wissenschaftlichen Institutspläne einschleichen wollen. Ich habe die wichtigsten Leute der Südosthilfsstellen deswegen zu einer Aussprache geladen, die demnächst stattfindet.[19]

Dieses Treffen fand am 17. März 1950 wiederum in der Privatwohnung von Fritz Valjavec in München statt und ebnete vor allem den Weg zur Neugründung des Südost-Instituts (SOI). Zillich hielt dazu fest:

Die Spannungen sind beseitigt. Das Institut, das Valjavec klugerweise der Hamburger Gesellschaft für Auslandswissenschaft unterstellte, wird arbeiten, die Südostgruppen aber werden mit Valjavec eine Forschungsstelle errichten, die praktische Aufgaben lösen wird. Valjavec selbst ist freilich, ich empfand es wieder, eine etwas undurchsichtige Gestalt, aber er kennt den Südosten, er hat die meisten Institutsbestände in seinem Eigentum; er ist notwendig.[20]

Offiziell wurde die Südostdeutsche Forschungs- und Kulturstelle im Januar 1950 in München errichtet.[21] Sie war zunächst ein loser Interessenverband ohne vereinsrechtliche Registrierung. Der als Träger fungierende Verein Südostdeutsche Forschungsstelle e. V. wurde am 13. März 1951 in München gegründet.[22]

Eintragung ins Vereinsregister und Organisationsstruktur

Die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister, die insbesondere eine Voraussetzung für die Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit war, erfolgte im Laufe des Jahres 1951. Zu diesem Zwecke wurde im April 1951 diese Intention als eigener Passus in die Vereinssatzung aufgenommen und diese weiterhin dahingehend abgeändert, dass auf Antrag von mehr als einem Drittel der Vereinsmitglieder eine Mitgliederversammlung einberufen werden müsse.[23] Die Registrierung war erforderlich geworden, um die SOKFS in den Genuss von Fördermitteln bringen zu können. Fritz Valjavec wandte sich am 1. März 1951 an den Vorsitzenden des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, den Publizisten Fritz Heinz Reimesch (1892–1958), mit einer Einladung zur Mitwirkung. Valjavec wollte „einige ausgewählte Vertreter der einzelnen südostdeutschen Landsmannschaften“ zum Beitritt zu diesem eingetragenen Verein animieren, wobei er „aus Gründen der Zweckmäßigkeit“ deren Zahl nicht „über eine Höchstzahl von 10 Mitgliedern“ ausweiten wollte.[24] Reimesch empfahl an seiner Stelle den Schriftsteller Heinrich Zillich; sollte dieser ablehnen, käme Hans Wühr in Betracht.

Heinrich Zillich nahm am 31. Oktober 1951 an der Eröffnung der von Max Hildebert Boehm (1891–1968) in Lüneburg gegründeten Nordostdeutschen Akademie teil und hielt dort auch eine Ansprache. Über die Anregungen, die er von dort mitbrachte, schrieb er die folgenden Zeilen in sein Tagebuch. Sein Eintrag vermittelt gleichzeitig Einblicke in die materielle Situation eines Schriftstellers, der von Zeiten der höchsten Anerkennung in der NS-Zeit in die weitgehende öffentliche Missachtung nach 1945 abgestürzt war:

Ich kam nach drei Tagen zurück, entschlossen, eine Südostdeutsche Akademie möglichst in Starnberg zu schaffen, deren Ziel es wäre, junge Deutsche und Ausländer für südostdeutsche Dinge zu schulen, die Eintracht der Völker zu pflegen, der deutschen Wirtschaft durch Einsicht ins Wesen des Südostens zu nützen. Eine Aussprache mit Professor Valjavec ergab erste Übereinstimmungen für den Weg, den wir dabei einschlagen müssen, wobei es zwischen uns als ausgemacht gilt, daß ich die Leitung der Geschäftsleitung haben soll. Hier wäre vielleicht eine Möglichkeit für mich, endlich auf eine sichere Existenz zu stoßen. Dieser Valjavec ist mehr ein Geschäftsmann als ein Gelehrter. In hundert Planungen hat er seine Finger, beschafft Geld für sein Südostinstitut, fürs Südostdeutsche Kulturwerk, für die Südostdeutsche Gesellschaft und jetzt besonders für drei große Adam-Müller-Guttenbrunn-Feiern, die den 100. Geburtstag des Dichters zum Anlaß haben, aber dabei das Südostdeutschtum den Binnendeutschen deutlich vor Augen rücken sollen. Im November finden sie statt, in München, Stuttgart und Flensburg, wo ich die Hauptrede halte; auch in München spreche ich zur Eröffnung der Feierlichkeit. Valjavec […] braucht die Unterstützung unserer Landsmannschaft bei der Beschaffung von Mitteln in Bonn fürs Institut und all die anderen Stellen, bei denen er sich tummel[t]. Dieser Angst verdanke ich es wohl, daß er mir die Pressevorbereitung für die Müller-Guttenbrunn-Feiern anbot und dabei ein Honorar auswarf, das recht anständig ist; anständig auch das Honorar für meine Rede in Flensburg. Das hilft mir wieder über einige Wochen hinweg.[25]

Förderung aus Bundesmitteln

Am 21. September 1952 teilte Fritz Valjavec dem Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (BMVt) in Bonn die „Wiederingangsetzung des Südost-Instituts“ in München mit. Er formulierte dabei Überlegungen zu einer möglichen Aufgabenteilung mit der Südostdeutschen Forschungsstelle:

Die Arbeitsteilung zwischen der Südostdeutschen Forschungsstelle und dem Südost-Institut ist so gedacht, daß die Südostdeutsche Forschungsstelle die Betreuung der Dokumentation (im weitesten Sinne), der eigentlichen Heimatkunde und -Forschung, das Südostdeutsche Handbuch (letzteres in Zusammenwirken mit dem Südost-Institut), die Vorbereitung eine südostdeutschen kulturellen und heimatkundlichen Zeitschrift (diese in Zusammenwirken mit unserem kulturellen Arbeitskreis), sowie alles Volksgruppenstatistische übernehmen wird. Die im strengeren Wortsinn akademischen Aufgaben dagegen werden vom Südost-Institut getragen.[26]

Fritz Valjavec beantragte am 20. Februar 1952, die Südostdeutsche Forschungsstelle in „Südostdeutsche Kultur- und Forschungsstelle“ (SOKFS) umzubenennen. Er verwies auf § 1 der Satzung, wonach „die Wahrnehmung kultureller Aufgaben“ ohnehin zu den Vereinszielen gehöre. Entsprechend solle sich auch der Trägerverein in „Verein Südostdeutsche Kultur und Forschungsstelle e. V.“ umbenennen. Diesem Ansinnen stimmten Franz Hamm, Georg Bleyer, Hans Diplich, Franz Rothen, Philipp Stagelschmidt, Josef Trischler, Jakob Wacker und Hans Wühr per Unterschrift zu.[27]

In seinem am selben Tag versandten Entwurf einer Geschäftsordnung skizzierte Valjavec in § 1 die Aufgaben der Einrichtung:

Aufgabe der Südostdeutschen Kultur- und Forschungsstelle ist die Durchführung wissenschaftlicher und kultureller Untersuchungen in enger Verbindung und Zusammenarbeit mit den südostdeutschen Landsmannschaften im Bundesgebiet, namentlich die Erforschung des deutschen Elementes im europäischen Südosten, wobei auch die Fragen des Zusammenlebens mit den übrigen Völkern dieses Raumes Berücksichtigung finden müssen, ferner die Untersuchung der allgemeinen Verhältnisse des Gesamtraumes sowie die Anregung, Förderung und Veröffentlichung von Forschungen über diesen Aufgabenbereich, ferner die Kulturpflege des Deutschtums aus dem Südosten.[28]

Dieser Definition stimmten die Mitglieder des Trägervereins einstimmig zu, ebenso der in § 4 konzipierten Struktur, wonach die Mitgliederversammlung für die Dauer von fünf Jahren einen wissenschaftlichen Direktor der Stelle berufen könne. Die Art und Höhe der Vergütung werde durch die Mitgliederversammlung festgelegt; zusätzlich sollten ihm seine Reisekosten erstattet werden. Der Direktor wiederum legte das Jahresarbeitsprogramm fest und war gegenüber der Mitgliederversammlung berichtspflichtig (§ 5). „Nach Bedarf und nach Maßgabe der verfügbaren Mittel“ konnte er „Schreibkräfte und wissenschaftliche Hilfskräfte“ einstellen oder Werkverträge für Einzelprojekte abschließen (§ 6). Die Finanzierung erfolgte durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuwendungen von öffentlichen Stellen (§ 7).

Die Leiterin des Kulturreferats im Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, die Historikerin Dr. Anneliese Schodrok (1920–1978),[29] konnte am 17. Juli 1952 mitteilen, dass die Südostdeutsche Kultur- und Forschungsstelle aus Mitteln des Nachtragshaushaltes 1951 erstmalig einen Beitrag zur Förderung ihrer Aufgaben erhalte. Um dies zu erreichen hatte Valjavec bereits seit längerer Zeit Gespräche mit führenden Vertretern des Ministeriums geführt. Mit Hilfe dieser Bundesmittel sollte die Arbeit der Stelle „der Förderung heimatvertriebener Wissenschaftler und Künstler dienen und sich der kulturpflegerischen Aufgaben, soweit sie zur Erhaltung und weiteren Pflege der kulturellen Eigenarten der heimatvertriebenen Deutschen aus dem südosteuropäischen Raum notwendig sind, annehmen“. Die Aufgaben der SOKFS unterschieden sich von der „rein wissenschaftlichen Arbeit“ des Südost-Instituts, dessen Förderung beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen ressortierte.[30]

In seinem Dankesschreiben vom 30. Mai 1952 unterstrich Fritz Valjavec, die SOKFS werde „bestrebt sein, in Ihrem Sinne die gebotenen Möglichkeiten für die Kulturarbeit der Südostdeutschen Heimatvertriebenen im Zusammenwirken mit den Landsmannschaften aus dem europäischen Südosten wahrzunehmen“.[31]

Der Rat der Südostdeutschen Landsmannschaften

Fritz Valjavec war bestrebt, die Landsmannschaften der Deutschen aus dem südöstlichen Europa in die Arbeit der SOKFS einzubinden. Als Kooperationspartner und Anlaufstelle wurde daher ein neuer Zusammenschluss bedeutsam: In München riefen am 7. Oktober 1951 zehn südostdeutsche Landsmannschaften von Deutschen aus Jugoslawien, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Galizien sowie der „Ostumsiedler“ den „Südostdeutschen Rat“ oder „Rat der Südostdeutschen Landsmannschaften“ ins Leben.[32] Franz Hamm schrieb am 15. Oktober an den evangelischen Pastor Friedrich Spiegel-Schmidt (1912–2016), auf seine Anregung hin sei es zu dieser Gründung auf Bundesebene gekommen. Dem Präsidium gehörten der aus der Batschka stammende Politiker Josef Trischler, der Ungarndeutsche Heinrich Reitinger und der Bukowinadeutsche Hans Wagner an. Daneben gebe es ein Direktorium, das sich aus den Sprechern der einzelnen Landsmannschaften zusammensetze. Außerdem sei laut Geschäftsordnung die Teilnahme von Vertretern beider großen Konfessionen vorgesehen. Hamm bat Spiegel-Schmidt um Mitwirkung von Seiten der EKD. Aus Überlastungsgründen habe er, Hamm, eine Mitwirkung im Präsidium ausgeschlagen.[33] Der Delegiertenversammlung gehörten je sechs Vertreter der Ungarn- und Jugoslawiendeutschen, je zwei der Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Bukowinadeutschen, Bessarabiendeutschen und Russlanddeutschen sowie je einer der Dobrudschadeutschen und der Sathmarer Schwaben an.[34]

Der Rat der Südostdeutschen beabsichtigte, in Bonn und damit in räumlicher Nähe zu den obersten Bundesbehörden, eine eigene Geschäftsstelle zu errichten. Der Sitz des Rates solle aber weiterhin München bleiben. Die Südostdeutsche Forschungsstelle solle „im Rahmen dieses Zusammenschlusses tätig“ werden.[35] In der Tat wurde das spätere SOKW eine Mitgliedsorganisation des Südostdeutschen Rats und führte alljährlich Beiträge an ihn ab.[36]

Von der SOKFS zum SOKW

Das BMVt hatte seine Zuwendungszusage an eine Aufgabenbeschreibung der Südostdeutschen Kultur- und Forschungsstelle geknüpft. Im August 1952 brachte daher Fritz Valjavec folgenden Entwurf zu Papier:

Unsere Südostdeutsche Kultur- und Forschungsstelle setzt sich die Förderung heimatvertriebener Wissenschaftler und Künstler und die Erhaltung und weitere Pflege der kulturellen Eigenarten der heimatvertriebenen Deutschen aus dem südosteuropäischen Raum zur Aufgabe.
Ob in Zukunft daneben auch wissenschaftliche Aufgaben im strengeren Sinn wahrgenommen werden wollten, bedarf noch einer gesonderten Klärung. Es aber auf Wunsch ebenso gut möglich, eine Abgrenzung so durchzuführen, daß alle rein wissenschaftlichen Aufgaben ausschließlich dem Südost-Institut München übertragen werden.
Um weitere Unklarheiten zu vermeiden, werden wir mit sofortiger Wirkung als Untertitel die Bezeichnung „Südostdeutsches Kulturwerk“ einführen und auf der nächsten Mitgliederversammlung unseres „Vereins Südostdeutsche Kultur- und Forschungsstelle e. V.“, der Rechtsträger unserer Kultur- und Forschungsstelle ist, die Abänderung der Bezeichnung Südostdeutsche Kultur- und Forschungsstelle in „Südostdeutsches Kulturwerk“ vorschlagen.[37]

Auf diese Weise kam die Bezeichnung „Südostdeutsches Kulturwerk“ (SOKW) auf. Die institutionelle Förderung des SOKW durch das BMVt wurde noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG) am 19. Mai 1953 geregelt.[38]

Eine erste Studientagung

Für den Herbst 1952 plante das SOKW drei Gedenkfeiern zum 100. Geburtstag des donauschwäbischen Schriftstellers und Politikers Adam Müller-Guttenbrunn (1852–1923) in Stuttgart, München und Flensburg. Zu diesem Zwecke hatte sich im Sommer ein Ehrenpräsidium (Festausschuss) konstituiert, dem auch Bundespräsident Theodor Heuss (1884–1963) und Bundestagspräsident Hermann Ludwig Ehlers (1904–1954) angehörten.[39]

Die erste Veranstaltung fand am 2. November 1952 unter der Schirmherrschaft des baden-württembergischen Kultusministers Gotthilf Adolf Schenkel (1889–1960) und des Ministers für Vertriebene und Kriegsgeschädigte Eduard Fiedler (1890–1963) im Stuttgarter Kammertheater statt. Für die Bundesregierung war Staatssekretär Ottomar Schreiber (1889–1955) anwesend. Die Reden von Franz Hamm und Johannes Weidenheim betonten die Bedeutung Müller-Guttenbrunns für die Donauschwaben und versuchten, ihn in einem südosteuropäischen Gesamtkontext zu verorten.[40]

Für die Feier in Flensburg, die auf Vermittlung des Historikers Hans-Joachim Beyer (1908–1971) – während des Zweiten Weltkriegs Leiter der Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (tsch. Praha) – zustande gekommen war, konnten der Schleswig-Holsteinische Heimatbund, der Kreisverband der Heimatvertriebenen, die Deutsche Kulturgesellschaft und die Grenzlandjugend als Mitveranstalter gewonnen werden. Den Festvortrag hielt Heinrich Zillich.[41]

Zillich schrieb selbst in seinem Tagebuch über die Veranstaltung:

Ich fuhr mit einem der neuen raschen Fernzüge am 11. November nah Flensburg, das mich überraschte, als ich es nach Jahren wieder sah, so hübsch bot es sich mit seinen alten roten Häusern dar. Professor Beyer freilich hatte versäumt, die vereinbarten Anschlußlesungen in Schleswig rechtzeitig vorzubereiten. Darum blieb es außer der Adam-Müller-Guttenbrunn-Feier, die bei vollem Saal nicht sehr feierlich ablief, nur bei einer zu spät angekündigten, schlecht besuchten Lesung in Itzehoe, wo mein Landsmann Dr. Matthias sich meiner annahm. Beyer bemühte sich allerdings, mir den Aufenthalt in Flensburg angenehm zu machen, mit seiner Frau ließ er mich Schloß Glücksburg sehen, die schöne Wasserburg, deren herrliche Räume mich entzückten. In der Pädagogischen Hochschule, wo er Lehrer ist, las ich vor lebhaft mitgehenden Studenten.[42]

Am 28./29. November 1952 veranstaltete das SOKW seine erste Studientagung in München.[43] Mit dieser Feier sollte, so Fritz Valjavec in einem Schreiben vom 19. November an Theodor Oberländer (1905–1998), zu diesem Zeitpunkt Staatssekretär für Flüchtlingsfragen im Bayerischen Staatsministerium des Innern, „der besonderen Bedeutung Münchens für den Südosten, aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß das Südostdeutschtum in München seinen Mittelpunkt hat (Rat der Südostdeutschen, Südostdeutsches Kulturwerk)“.[44]

Der bayerische Staatssekretär Karl Jering (1914–1990) konstatierte in einer Einschätzung der Tagung:

Nur den Südostdeutschen ist auf bayerischem Boden eine beispielhafte Durchstufung ihres geistigen Bestandes gelungen, wie die Studientagung des Südostinstituts und des Südostdeutschen Kulturwerkes im November 1952 bewies, obwohl gerade die Südostdeutschen eine überwiegend bäuerliche Bevölkerung waren und eine im Vergleich zu anderen Vertriebenengruppen nur dünne Intelligenzschicht aufwiesen. Aber gerade sie haben in der Zusammenarbeit zwischen dem Südostinstitut, das sich der Erforschung des europäischen Südostens und seiner Völker widmet, und dem südostdeutschen Kulturwerk als der Sammelstelle für alle kulturellen Kräfte des Südostdeutschtums und den landsmannschaftlichen Verbänden eine vorbildliche organisatorische Lösung der sich für eine Volksgruppe in der Vertreibung ergebenden erzieherischen und geistigen Aufgaben gefunden. Es wäre zu wünschen, wenn ihr Beispiel Schule machte.[45]

Eine noch zu erforschende Geschichte

An dieser Stelle bricht diese erste Skizze der SOKW-Gründungsgeschichte vorläufig ab, zu deren eingehenderer Erforschung noch zahlreiche Archive besucht, Nachlässe und Dokumentationen ausgewertet und zeitgenössische Publikationen studiert werden müssen. Die Texte in den vom SOKW herausgegebenen Südostdeutschen Vierteljahresblätter (anfangs: Südostdeutsche Heimatblätter) geben zu vielen Veranstaltungen und Entwicklungen wertvolle Hinweise; viele wichtige Informationen bleiben den Lesern allerdings auch vorenthalten.

Leider sind im SOKW beziehungsweise seiner Nachfolgeinstitution, dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS), Unterlagen aus der Frühzeit nur rudimentär erhalten geblieben, während das eigentliche Institutsarchiv vorläufig als verschollen angesehen werden muss. Zum Teil kann diese Lücke durch Ersatzüberlieferungen kompensiert werden, die sehr verstreut in unterschiedlichen Archiven und Sammlungen zu finden sind.

Das IKGS ist für weiterführende Hinweise aller Art dankbar, auch für Fotografien, Film- und Tondokumente. Falls Sie uns bei der Erforschung der Institutsgeschichte weiterhelfen können, wenden Sie sich bitte an Tobias Weger, den Sie per Email unter weger@ikgs.de erreichen.


[1] K. Binder: Südostdeutscher Wandervogel. Deutsche Jugendwanderer in Rumänien. In: Schule und Leben. Deutsche Lehrerzeitung für Großrumänien 13 (1931/32), S. 27–30.

[2] Bukowiner deutsche Jugend marschiert! Das Anwachsen der buchenländisch-völkischen Jugendbewegung. In: Czernowitzer deutsche Tagespost, 9. Jg., Nr. 2.586, 19.10.1932, S. 4.

[3] Ebenda.

[4] Ein Münchner Forschungsinstitut für das Südostdeutschtum. In: Grazer Tagblatt, 40. Jg., Nr. 553, 1.12.1930, S. 2; Ein bayerisches Forschungsinstitut in Tirol. In: Tages-Post [Linz], 66. Jg., Nr. 277, 1.12.1930, S. 12.

[5] Trampler, der in Gräfelfing lebte, wandte sich nach 1945 dem Okkultismus zu. Er war eine Zeitlang Anhänger des „Wunderheilers“ Bruno Göring (1906–1959) und betätigte sich selbst als „Geisterheiler“.

[6] Zur Rolle Riedls innerhalb des österreichischen Nationalsozialismus vgl. unter anderem Lucia Scherzberg: Zwischen Partei und Kirche. Nationalsozialistische Priester in Österreich und Deutschland (1938–1944). Frankfurt am Main 2020, S. 99. Zu Riedls Antisemitismus vgl. Alexander Pinwinkler: „Minderheiten“ und „Volksgruppen“ in rechts- und staatswissenschaftlichen Diskursen in Österreich, circa 1918–1938. In: Gabriele Metzler (Hg.): Das Andere denken. Repräsentationen von Migration in Westeuropa und den USA im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main, New York 2013, S. 57–78, hier: S. 76–78. Riedl zählte ab den 1950er-Jahren zum weiteren SOKW-Umfeld und zum Freundeskreis von Harold Steinacker und Karl Kurt Klein in Innsbruck.

[7] Das Deutschtum im Süden und Südosten. In: Salzburger Volksblatt, 61. Jg., Nr. 169, 27.7.1931, S. 7.

[8] Murray G. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Tübingen 1994, S. 168f.

[9] Bayerisches Hauptstaatsarchiv [im Folgenden: BayHStA] LaFlüVerw 2160, Schreiben von Pius Haugg, 11.2.1949.

[10] BayHStA LaFlüVerw 2160, Schreiben von Franz Haibach, 25.1.1949.

[11] BayHStA LaFlüVerw 2160, Schreiben von Franz Haibach, 31.3.1949.

[12] BayHStA LaFlüVerw 2165, Konzept von Theodor Hutter, 12.5.1949.

[13] BayHStA LaFlüVerw 2162-II, Schreiben des BayStMIn, 19.2.1950.

[14] Oberbayern macht den Anfang. Arbeitsgemeinschaft zur kulturellen Betreuung der Heimatvertriebenen. In: Mitteilungsblatt, Nr. 27, 20.12.1950, S. 1.

[15] Max Hildebert Boehm: Gruppenbildung und Organisationswesen. In: Eugen Lemberg, Friedrich Edding (Hgg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben. Band 1. Kiel 1959, S. 521–606, hier: S. 538, S. 576. Am 3. März 1956 wurde der SOSR als eingetragener Verein in München registriert. Zwischen 1954 und 1969 gab er die Südostdeutschen Semesterblätter heraus.

[16] Franz Hamm: Geschichte und Leistung des Südostdeutschen Kulturwerkes. Festvortrag. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 24 (1975), S. 78–84, hier: S. 83.

[17] Franz Hutterer: Hans Diplichs Münchner Jahre. In: Horst Fassel (Hg.): Hans Diplich. Werk und Wirkung. München 1994, S. 19–27, hier: S. 26.

[18] Gemeint ist der Politiker August Haußleitner (1905–1989), während der Weimarer Republik und der NS-Zeit ein Vertreter der „Konservativen Revolution“, 1948/49 stellvertretender Vorsitzender der CSU, dann Gründer und Wortführer der Deutschen Union (DU), aus der die rechtsextreme Deutsche Gemeinschaft (DG)hervorging. In den 1960er-Jahren war Haußleitner maßgeblich in der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD), die 1980 an der Gründung der Partei „Die Grünen“ beteiligt war.

[19] IKGS-Archiv NL Heinrich Zillich Tagebuch VII, 1.3.1948–29.4.1951, Bl. 224.

[20] IKGS-Archiv NL Heinrich Zillich Tagebuch VII, 1.3.1948–29.4.1951, Bl. 227f.

[21] Lilian Schacherl: Die Kulturwerke der Vertriebenen. Ihre Aufgabe, Tätigkeitsbereiche und Arbeitsmethoden. Bonn o. J., S. 46.

[22] Franz Hutterer: „In diesen Konzepten liegt die Zukunft“. Fünfzig Jahre Südostdeutsche Vierteljahresblätter. In: 50 Jahre Südostdeutsches Kulturwerk. Südostdeutsche Vierteljahresblätter 1951–2001. München 2001, S. 1–4, hier: S. 1; Krista Zach: Von der Forschungsstelle zum Institut. Bilanz und Ausblick (1951–2001). In: ebenda, S. 5–10, hier: S. 5; Gerald Volkmer: Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München. In: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 51 (2010), S. 186–200, hier: S. 187.

[23] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Mitteilung von Franz Hamm, Franz Rothen, Josef Trischler und Georg Bleyer, 17.4.1951.

[24] IKGS-Archiv NL Heinrich Zillich, Schreiben von Fritz Valjavec an Fritz Heinz Reimesch, 1.3.1951, und Weiterleitung an Heinrich Zillich, 2.3.1951.

[25] IKGS-Archiv NL Heinrich Zillich Tagebuch VIII, 10.5.1951–7.6.1959, Bl. 379f.

[26] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Schreiben von Fritz Valjavec, 21.9.1951.

[27] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Schreiben von Fritz Valjavec und Unterschriftenliste, 20.2.1952.

[28] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Entwurf einer Geschäftsordnung, 20.2.1952.

[29] Anneliese Schodrok war eine Tochter des oberschlesischen Publizisten und Politikers Karl Schodrok (Sczodrok, 1890‑1978). Sie promovierte 1948 an der Universität Freiburg im Breisgau mit der Arbeit Die schlesische Tuchweberei und Tuchhandlung von den Anfängen bis 1526. Vgl. Franz Heiduk: Dr. Anneliese Schodrok †. In: Schlesischer Kulturspiegel 13 (1978), S. 7.

[30] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Schreiben von Anneliese Schodrok, 17.7.1952.

[31] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Schreiben von Fritz Valjavec, 30.5.1952.

[32] Rat der Südostdeutschen. In: Siebenbürgische Zeitung, 2. Jg., Nr. 10, Oktober 1951, S. 1; „Südostdeutscher Rat“ konstituiert. In: Passauer Neue Presse, Nr. 149, 20.12.1951, S. 2; Immo Eberl: Vertriebenenverbände. Entstehung, Funktion, Wandel. In: Mathias Beer: Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im deutschen Südwesten nach 1945. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Ergebnisse des Kolloquiums vom 11. bis 12. November 1993 in Tübingen. Sigmaringen 1994, S. 211–234, hier: S. 222.

[33] Evangelisches Zentralarchiv [im Folgenden: EZA] Berlin, EZ 17-801, Schreiben von Franz Hamm an Friedrich Spiegel-Schmidt, 15.10.1951.

[34] Eberl: Vertriebenenverbände, S. 222.

[35] Rat der Südostdeutschen. In: Siebenbürgische Zeitung, 2. Jg., Nr. 10, Oktober 1951, S. 1.

[36] IKGS-Archiv. Protokollbuch der Mitgliederversammlungen 1958–1962, Protokoll über die ordentliche Mitgliederversammlung der Südostdeutschen Kultur- und Forschungsstelle e. V. am 7.4.1961, Bl. 105–116, hier: Bl. 110, Demnach belief sich der Beitrag für 1961 auf 180,– DM.

[37] BayHStA Südostinstitut 160, Südostdeutsche Forschungsstelle München, Konzept von Fritz Valjavec, August 1952.

[38] Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG). In: BGBl I 1953, Nr. 22, S. 201–221; der „Kulturparagraph“ (§ 96) auf S. 219: „Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen und Flüchtlinge und Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Bund und Länder haben entsprechend ihrer durch das Grundgesetz gegebenen Zuständigkeit das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewußtsein der Vertriebenen und Flüchtlinge und des gesamten deutschen Volkes zu erhalten sowie Archive und Bibliotheken zu sichern, zu ergänzen und auszuwerten. Sie haben Wissenschaft und Forschung bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus der Vertreibung und der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge ergeben, zu fördern.“

[39] J. L. Schmidt: Der erste Schritt. Gedenkfeier für Adam Müller-Guttenbrunn in Stuttgart. In: Siebenbürgische Zeitung, 3. Jg., Nr. 11, November 1952, S. 3.

[40] Schmidt: Der erste Schritt.

[41] Zit. nach: Die Feier in Flensburg. In: Siebenbürgische Zeitung, 3. Jg., Nr. 11, November 1952, S. 3.

[42] IKGS-Archiv NL Heinrich Zillich Tagebuch VIII, 10.5.1951–7.6.1959, Bl. 389.

[43] K. u. D.: Die erste Studientagung des Südostdeutschen Kulturwerks. In: Südostdeutsche Heimatblätter 2 (1953) H. 1, S. 48–50.

[44] BayHStA LaFlüVerw 2169, Antrag von Fritz Valjavec, 19.11.1952.

[45] Karl Jering: Das Volksgut darf nicht verloren gehen. In: Siebenbürgische Zeitung, Nr. 2., 25.2.1953, S. 2.


[i] Die bereits seit den Zwanzigerjahren aktive, im siebenbürgisch-sächsischen Milieu gegründete Selbsthilfebewegung erwies sich als Motor politischer und gesellschaftlicher Radikalisierungstendenzen. Sie stieg zum Promotor für eine Übernahme und Modifizierung nationalsozialistischer Ideologie und Praxis auf. Konfessionell und regional geprägte Lebenswelten der Deutschen in Rumänien wurden zunehmend von „völkischen“ Ideen überlagert und eingenommen. Wichtige Faktoren dieser innerhalb der Minderheit durchaus umstrittenen Entwicklung stellten die Versuche einer ideologischen Unterwanderung der Kirchen seit 1933, die Verabschiedung eines Volksprogramms 1935 sowie die zunehmende Infragestellung der traditionellen politischen Instanzen und Praktiken bei den deutschen Gruppen dar (Aus der Ankündigung der vom IKGS mitveranstalteten Tagung “Von der Selbsthilfe zur Fremdsteuerung”, Klausenburg/Cluj-Napoca, 25./26.9.2019, <https://www.ikgs.de/veranstaltungen/selbsthilfe-fremdsteuerung>, 15.11.2021).